Lesetipp:
Von Kaiserhof und Thälmannplatz
Die im Jahre 1908 als „Kaiserhof“ eröffnete U-Bahn-Station hat ihre Bezeichnung mehrfach gewechselt, auch ihr derzeitiger Name „Mohrenstraße“ wird von Kreisen, die sich an dem historischen Namen aus dem 18. Jahrhundert stoßen, in Frage gestellt. Doch das ist nicht Thema des Beitrages, sondern die wechselvolle Geschichte dieser U-Bahn-Station und ihres Umfeldes: Regierungsviertel zu Kaisers, Weimarer und Nazi-Zeiten, Ödnis am Rande Ost-Berlins zu Mauerzeiten, nach der Wiedervereinigung Wiederbelebung als innerstädtisches Quartier – und immer mittendrin die U-Bahn-Station mit wechselnden Bezeichnungen und Verkehrsverbindungen. Das anfangs namensgebende Nobelhotel „Kaiserhof“ war Ort politischer Entwicklungen, die am Ende zur Zerstörung von Hotel, U-Bahn-Station und Umgebung führten. Während das Hotel abgerissen wurde, entstand die stark zerstörte Station 1950 als „Thälmannplatz“ neu, wurde nach dem Mauerbau zur Endstation degradiert, ist aber nach dem mühsamen Wiederaufbau des durch die Mauerteilung zerstörten Streckenabschnitts seit 1993 wieder eine durchgehende, unverzichtbare Berliner U-Bahn-Verbindung zwischen Pankow im Nordosten und Ruhleben im Südwesten.
Mehrfach wurde die Station an dieser markanten Stelle Berlins auch Handlungsort in literarischen Werken. In einer Erzählung von Arnold Zweig fährt Otto Temke einen Zug auf ungewöhnliche Weise, und in einem Feuilleton von Heinz Knobloch versuchen hohe Nazis in den letzten Kriegstagen durch den U-Bahn-Schacht zu flüchten.
Der Beitrag nimmt auch Bezug auf zwei Mythen, die mit dieser U-Bahn-Station – eine direkt, die andere mittelbar – in Zusammenhang stehen: Reichskanzlei-Marmor und Amanullah-Triebwagen. Viele historische Fotos und weitere Zeitdokumente setzen die im Text beschriebenen Vorgänge anschaulich ins Bild.
Michael Günther:
Von Kaiserhof und Thälmannplatz
U-Bahn-Station, Luxushotel, Schauplatz der Geschichte, Verkehrsort…
In: „Verkehrsgeschichtliche Blätter“, Heft 3/2022, S. 58-72