Lesetipp:
Am Ende schaffnerlos
Wer kann sich heute noch in Straßenbahnen oder Bussen Schaffnerinnen oder Schaffner vorstellen? In jedem Wagen Personal des Verkehrsbetriebes, das Fahrgeld kassierte, Zeitkarten kontrollierte und gegebenenfalls angetüterte Fahrgäste verunsicherte. „Is hier noch jemand ohne Fahrschein?“ „War noch wer zujestiejen?“ „Ne, mit ‚ne off’ne Bierpulle jeht’s hier nich ‚rin. Wir sind doch keene Kneipe nich, Meesta!“ Dagegen schätzen heutige Fahrgäste Fahrscheinautomaten, elektronische Haltestellenansagen, schrille Klingel-Warntöne, Touch-Türöffner, Video-Überwachung – und einige auch die Möglichkeit, in der Bahn ungestört Bierchen zu schlucken und ggf. recht unbehelligt wieder zu verlieren. Wir fahren heute zeitgemäß!
Lutz Habrecht beschreibt, wie bei den Berliner Verkehrsbetrieben (und anderswo) vor mehr als 50 Jahren der personal- und kostenintensive Schaffnerbetrieb etappenweise rationalisiert wurde. Schaffnerlose Triebwagen im OS (Ohne-Schaffner-)Betrieb, einzelne Wagen nur für Fahrgäste mit Zeitkarten im Z-Betrieb und ZZ-Betrieb – am Ende moderne Schaffnerlosigkeit. Das hört sich heute einfacher an, als es damals tatsächlich war! Schließlich mussten ohne Schaffner die Betriebssicherheit gewährleistet bleiben und Fahrgeldeinnahmen gesichert werden. Es waren technische und betriebliche Voraussetzungen zu schaffen, auch bahnrechtliche Anpassungen vorzunehmen – und nicht zuletzt: eine „Umgewöhnung der Fahrgäste“. Solche „umgewöhnten“ Fahrgäste – und nicht nur sie – werden von der Abschaffung des Schaffnerbetriebes mit Interesse und gewissem Vergnügen lesen.
Lutz Habrecht:
Am Ende schaffnerlos
Z-, ZZ- und OS-Betrieb
In: „Verkehrsgeschichtliche Blätter“, Heft 3/2011, S. 76-80